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Stadtsparkasse wegen Verlusten aus Optionsgeschäften verurteilt

Das Landgericht München I hat mit Urteil vom 29.12.2021 (Az.: 40 O 8534/20) die Stadtsparkasse München wegen fehlerhafter Anlageberatung bei hoch spekulativen Optionsgeschäften zum Schadensersatz verurteilt. Der klagende Kunde wurde vertreten von ROESSNER.

Was war passiert?

Die Stadtsparkasse München trat an den Kunden heran und empfahl ihm den Abschluss von sog. Optionsgeschäften. Dabei wurden ausschließlich ungedeckte Optionsgeschäfte auf den Dax abgeschlossen. Über die Stadtsparkasse wurden die Geschäfte dann an der Eurex Deutschland Terminbörse platziert.

Geringe Prämie gegen sehr hohes Risiko

Der Kunde erhält bei Abschluss des Geschäfts eine sog. Optionsprämie. Das Verlustpotenzial derartiger Optionsgeschäfte ist unbegrenzt. Aufgrund der Verlustrisiken hatte der Kunde bei börsengehandelten Optionen zur Abdeckung des Preisänderungsrisikos eine Sicherheit (Margin) zu hinterlegen, deren Höhe börsentäglich geprüft und ggf. angepasst wird.

Erhebliche Verluste des Kunden

Mit Beginn der Corona-Pandemie kam es zu erheblichen Verwerfungen auf dem Börsenparkett. Ab Februar 2020 brachen weltweit die Börsen ein. Die Stadtsparkasse forderte den Kunden auf, binnen vier Stunden Sicherheiten in Höhe von rund EUR 2,5 Mio. zu leisten (Margin-Call). Der Kunde leistete die geforderte Sicherheit nicht, so dass die Sparkasse die noch laufenden Optionsgeschäfte glattstellte. So kam es zu erheblichen Verlusten beim Kunden. Bereinigt um die Optionsprämien erlitt der Kunde einen Verlust von rund EUR 1,5 Mio.

Kein „beratungsfreies Geschäft“ der Sparkasse

Die daraufhin in Anspruch genommene Stadtsparkasse verteidigte sich zunächst mit dem Argument, dass sie überhaupt keine Beratung erbringe und daher auch nicht als Berater hafte. Dem schloss sich das Landgericht nicht an. Konkret zur Beratungspraxis der Sparkasse bei derartigen Optionsgeschäften hat das Landgericht München festgestellt, dass gerade „kein beratungsfreies Geschäft“ vorliegt, weil die Sparkasse hier nicht als Discount-Broker oder Direktanlagebank tätig wird. Sie betreibt ein ausgewiesenes Filialnetz und wendet sich an ein anderes Publikum als Direktanlagebanken oder Discountbroker. Der Kunde dürfe daher ausreichende Beratung erwarten, bevor ihm ein hoch spekulatives Anlagegeschäft empfohlen wird. Die Stadtsparkasse war daher zu einer anleger- und objektgerechten Beratung verpflichtet.

Optionsgeschäfte nur bei „hoher Risikobereitschaft“

Konkret zu den Optionsgeschäften der Stadtsparkasse München hat das Landgericht weiter festgestellt, dass diese hoch spekulativ sind und überhaupt nur bei sehr hoher Risikobereitschaft empfohlen werden dürfen. Die getätigten Optionsgeschäfte entsprachen daher nicht der Risikobereitschaft des Kunden. Optionsgeschäfte erfordern aufgrund ihres hochspekulativen Charakters sowie der hohen Verlustrisiken eine entsprechend hohe Risikobereitschaft. Die Entscheidung für eine hochspekulative Anlageform lässt einen Schluss auf eine sehr hohe Risikobereitschaft nur dann zu, wenn diese Entscheidung auf einer Kenntnis der mit dieser Anlage verbundenen hohen Risiken beruht. Die Entscheidung allein für eine riskante Anlageform rechtfertigt den Schluss auf eine hohe Risikobereitschaft nicht.

Optionsgeschäfte nicht zur Vermögensoptimierung

Auch in Bezug auf das Anlageziel hat eine ordnungsgemäße Ermittlung des Kundenprofils stattzufinden. Zu einer solchen gehört, dass Grundlage der Erfassung des Anlageziels des Kunden die anhand der Kundenangaben ermittelten tatsächlichen Verhältnisse sind und nicht eine bereits fixierte Anlageform. Das Landgericht stellte fest, dass die Optionsgeschäfte der Sparkasse dem Anlageziel einer positiven Rendite vor Steuern und Inflation aufgrund ihres hochspekulativen Charakters nicht entsprachen. Eine Vermögensoptimierung, wie sie der Kunde erkennbar wünschte und benötigte, könne mit einer Anlageform, deren Erträge vollkommen von der ungewissen, nicht vorhersehbaren und planbaren Entwicklung eines Aktenindizes abhängen, nicht erzielt werden.

Ungedeckte Optionsgeschäfte generell ungeeignet

Bei ungedeckten Optionsgeschäften kann der Kunde theoretisch „Haus und Hof“ verlieren, weil das Verlustrisiko nach oben hin offen ist. Das Landgericht München hat daher konkret zu solchen Optionsgeschäften festgestellt, dass diese Geschäfte selbst für wohlhabende Anleger völlig ungeeignet sind. Auch wenn der Kunde als sehr wohlhabend einzuschätzen ist, bildeten diese Vermögens- und Einkommensverhältnisse keine substantielle Basis für verlustträchtige Optionsgeschäfte. Bei Realisierung der möglichen Verlustrisiken wäre der Kunde zum Einsatz illiquider Vermögenswerte und einer einschneidenden Änderung seiner Lebensverhältnisse gezwungen gewesen. Die Anlageempfehlung war daher auch unter diesem Aspekt nicht anlegergerecht.

Unzureichende Risikoaufklärung durch die „Basisinformation“

Der geschädigte Kunde wurde auch nicht hinreichend über die mit solchen Geschäften verbundenen ruinösen Verlustrisiken aufgeklärt. Das Landgericht München hat konkret zur Broschüre „Basisinformationen über Termingeschäfte“ der Stadtsparkasse festgestellt, dass diese Broschüre keine hinreichende Risikoaufklärung darstellt. Das Risikobild, das dem Kunden hier hinsichtlich des zentralen Aspektes des Verlustrisikos vermittelt wurde, lässt insgesamt die gebotene Klarheit vermissen.

Pflicht zum „Abraten“

Aufgrund der für die Sparkasse erkennbaren fehlenden Übereinstimmung zwischen der Risikobereitschaft, der Risikofähigkeit sowie dem Anlageziel des Kunden mit den anvisierten Optionsgeschäften war die Stadtsparkasse München nach Ansicht des Landgerichts sogar dazu verpflichtet, dem Kunden von diesen Geschäften abzuraten. Diese Pflicht hat sie nicht erfüllt. Von dieser Pflicht zum Abraten war die Sparkasse weder aufgrund der Umstände des Einzelfalls noch aufgrund genereller Erwägungen befreit. Die Pflicht zum Abraten ist kein zusätzliches Element im Pflichtenkanon der Bank, sondern Ausfluss ihrer Beratungspflicht. Bei im Rahmen der Exploration erkennbar gewordener fehlender Übereinstimmung der anvisierten Anlage mit den wirtschaftlichen Verhältnissen und Zielen des Anlegers, besteht die von der Bank geschuldete Beratungsleistung in einer Warnung bzw. einem Rat zum Unterlassen.

Fazit

Banken und Sparkassen müssen sich auch im Jahr 2022 an die Grundsätze zur anleger- und objektgerechten Beratung halten und müssen bei hochspekulativen Optionsgeschäften besonders umfassend beraten, sonst haften sie für den entstandenen Schaden.

ROESSNER Rechtsanwälte ist seit über 45 Jahren im Bank- und Kapitalmarktrecht tätig und vertritt dabei ausschließlich die Interessen geschädigter Anleger, Unternehmen und Kommunen.

Hier die Bild-Berichterstattung:

https://www.bild.de/regional/muenchen/muenchen-aktuell/kunde-falsch-beraten-sparkasse-muss-1-46-mio-euro-schadenersatz-zahlen-79241238.bild.html

 

 

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